
Einleitung Serie
Bei der Analyse von Simulationsergebnissen ist es entscheidend, die richtigen Fragen zu stellen. Dieser Leitfaden soll Ihnen helfen, die wichtigsten Aspekte zu hinterfragen, um fundierte Schlussfolgerungen ziehen zu können.
In diesem Artikel möchte ich Konstrukteure und Entwickler für die kritische Betrachtung von FEM-Ergebnissen sensibilisieren. Es sind einfache und logische Punkte, die man sich gelegentlich wieder bewusst machen sollte.
Dazu habe ich ein kleines Beispiel gemacht, um ein paar Probleme aufzuzeigen.

Teil 1: Ergebnisdarstellung hinterfragen
Die visuelle Darstellung von Simulationsergebnissen kann täuschen. In diesem Teil lernen Sie, wie Sie die präsentierten Bilder kritisch betrachten und die richtigen Fragen stellen, um die wahre Bedeutung der Ergebnisse zu erfassen.
Verformungsdarstellung bewerten
Welche Verformung ist richtig?

In der Auswertung kann die Verformungsübertreibung in den meisten Programmen eingestellt werden. Das ist auch sehr sinnvoll, da man anhand einer sehr stark übertriebenen Verformung oft erkennen kann, ob die Lasten und Randbedingungen plausibel sind oder die Gründe für einen Spannungsverlauf.
- Wie stark ist die Verformung in den Bildern übertrieben?
- Fragen Sie nach der tatsächlichen Größenordnung der Verformungen.
- Lassen Sie sich erklären, wie die Verformungen zu interpretieren sind.
Letztendlich ist es notwendig, die Absolutwerte bzw. die Legende der dargestellten Verformung und den Nullpunkt, also die Position an der das Bauteil festgehalten wird, zu kennen. Dann kann die Verformung an den relevanten Positionen abgelesen werden. Im Beispiel ist die für beide gleich.

Farbskalierungen analysieren

Ja, im Bild ist es offensichtlich, dass nur die Farbdarstellung verändert wurde. Die Spannung im Bauteil, angezeigt an einem Knoten, ist immer die gleiche. Dies ist aber eine zentrale Fehlerquelle, die am häufigsten zu Fehlinterpretationen führt. Das spontane Gefühl ist immer, rot = schlecht und blau oder grün/blau = gut.
In diesem Beispiel wurde links die automatische Skalierung der Legende verwendet, wobei die Maximalspannung an einer anderen Stelle außerhalb des dargestellten Bereichs liegt. Mittig und rechts wurde der Wert für den Rotbereich angepasst. Dies kann sinnvoll sein, um schnell zu erkennen, welche Bereiche des Modells genauer ausgewertet oder untersucht werden sollten. Außerdem sind im linken Bild keine Konturbänder eingestellt, so dass die Bereiche der Spannungen nicht zu erkennen sind, so dass das Ablesen einer Spannung erschwert wird.

- Ist die Farbskala so gewählt, dass wichtige Details erkennbar sind?
- Wurde die Skala angepasst, um bestimmte Effekte hervorzuheben?
- Bitten Sie um alternative Darstellungen, wenn die Skala unklar erscheint.
Tipp:
Bei Variationsberechnungen möglichst immer dieselbe Farbskalierung zu verwenden, damit man die Veränderungen einfacher erkennen kann.
Spannungsarten berücksichtigen

Es sind drei Bilder von der gleichen Berechnung mit unterschiedlichen Spannungsverläufen dargestellt. Sowohl die Minimal-, als auch die Maximalwerte sind unterschiedlich. Warum?
Es handelt sich um unterschiedliche Spannungsarten: Die Vergleichsspannung nach „von Mises“, die maximale Hauptnormalspannung und die minimale Hauptnormalspannung. Oft ist es sinnvoll unterschiedliche Spannungsarten auszuwerten, beispielsweise um Zug und Druck eindeutig zu unterscheiden oder abhängig vom Werkstoff unterschiedlich zu bewerten.
- Welche Spannungsarten werden dargestellt und warum?
- Sind die gezeigten Spannungen für Ihr spezifisches Problem relevant?
- Bitten Sie um Erläuterung, wenn verschiedene Spannungsarten gezeigt werden.
Zusammenfassung
Eine sachkundige Interpretation der Ergebnisdarstellung ist entscheidend für das Verständnis der FEM-Analyse. Durch gezieltes Nachfragen zu Farbskalen, Verformungsübertreibungen und dargestellten Spannungsarten gewinnen Sie als Kunde ein tieferes Verständnis für die tatsächlichen Simulationsergebnisse.
Teil 2: Vernetzung hinterfragen
Die Vernetzung ist ein oft übersehener, aber kritischer Aspekt von FEM-Berechnungen. Dieser Teil zeigt Ihnen, worauf Sie bei der Beurteilung der Netzqualität achten sollten und welche Fragen Sie Ihrem Simulanten stellen können.
Abhängig von der Art der Analyse oder den gewünschten Ergebnissen ist die Vernetzung wichtiger oder nicht. So ist die Vorformung eines Modells ohne nichtlineare Kontakte kaum von der Vernetzung abhängig, hingegen die Spannungen stark.
Netzqualität

Beide Geometrien wurden mit derselben Elementlänge vernetzt, woher kommt der Unterschied in den Spannungsverläufen?
Der Grund liegt in den unterschiedlichen verwendeten Elementen: Links Hexaeder- und rechts Tetraederelemente.

Das soll nicht heißen, dass Tetraeder grundsätzlich schlecht sind, sie sind bei komplizierten absolut von Vorteil, aber die Vernetzung muss an eben ausreichend fein sein. Manchmal können auch einzelne Spannungsspitzen von verzerrten Elementen herrühren – egal ob bei Hexaedern oder Tetraedern.
- Welche Elemente wurden verwendet?
- Wie sind einzelne Spannungsspitzen zu erklären?
- Lassen Sie sich die Elementqualität in kritischen Bereichen erklären.
Netzfeinheit

Die maximale Spannung steigt von links nach rechts an: 183,81 MPa 🡺 194 MPa 🡺 196,81 MPa
Dies ist auch wieder ein klassisches Problem der FEM-Simulation, die Netzfeinheit.

Nicht für alle Spannungsbewertungen ist eine Spannungskonvergenz erforderlich, beispielsweise nicht bei Strukturspannungskonzept von Schweißnähten. Aber diese Abhängigkeit muss einem bei Spannungsbildern immer bewusst sein.
- Wie wurde die Netzfeinheit gewählt und ist sie ausreichend?
- Wurde eine Netzkonvergenzstudie durchgeführt?
- Lassen Sie sich die Elementqualität in kritischen Bereichen erklären.
Auch bei nichtlinearen Kontakten spielt die Vernetzung eine große Rolle, insbesondere, wenn Aussagen im Kontaktbereich gemacht werden sollen.
Zusammenfassung
Die Qualität des FEM-Netzes hat direkten Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse. Indem Sie die Netzfeinheit, Konvergenz und Elementqualität hinterfragen, stellen Sie sicher, dass die Grundlage der Berechnung solide ist.
Teil 3: Modellierung überprüfen
Als Kunde von FEM-Analysen ist es entscheidend, die Grundlagen der Modellierung zu verstehen. In diesem Teil geht es darum, die wichtigsten Aspekte der Modellierung zu hinterfragen, um sicherzustellen, dass die Simulation ihr Problem ausreichend abbildet.
Randbedingungen hinterfragen

Hier ist es offensichtlich, dass die Randbedingungen zur Einspannung unterschiedlich sind. Dies ist aber nicht immer so einfach wie in diesem Beispiel zu erkennen. Allerdings sind sehr starke Verformungsübertreibungen dazu sehr hilfreich.

- Wie realistisch sind die gewählten Randbedingungen?
- Könnten zu starre Einspannungen zu überhöhten oder zu geringen Spannungen führen?
- Wäre eine flexiblere Lagerung eventuell realitätsnäher?
- Sollte ein weiteres Bauteil im Bereich der Randbedingungen berücksichtigt werden, um die Steifigkeit besser abzubilden, gegebenenfalls mit Kontakt?
Welche Randbedingungen gewählt werden, ist nicht allein dadurch zu begründen, dass sie möglichst realistisch sind, sondern sie sollen auch konservative Ergebnisse liefern. Und das bei möglichst geringem Modellierungsaufwand und Berechnungszeiten. Hier sind sinnvolle Vereinfachungen erwünscht.
Kontakte analysieren
Ähnliches gilt auch für Kontakte.

Im linken ist schön zu sehen, wie sich ein Spalt zwischen den Auflageflächen und dem Kreuzstoß bildet, während rechts der Kontakt geschlossen bleibt.
- Wie wurden Kontakte zwischen Bauteilen modelliert?
- Wurde Reibung berücksichtigt und wenn ja, wie?
- Welchen Einfluss haben die Kontaktdefinitionen auf das Gesamtergebnis?
Wenn wir das Verformungsbild der Fest-Loslagerung anschauen, sieht die Verformung vergleichbar aus, wie beim schön geöffneten Kontakt. Deshalb die dritte Frage: Ist ein Kontakt überhaupt notwendig?
Geometrie kritisch betrachten
Auch hierfür gibt es wieder ein klassisches Beispiel.

Wurde eine Singularität, also ein Knick, modelliert, so erhält man keine Spannungskonvergenz. Sie steigt immer weiter an, egal wie fein vernetzt wird.

Soll an einer Stelle eine Spannungsaussage gemacht werden, so muss sie also genauer modelliert werden. Wird dagegen ein Radius modelliert – wie er in der Regel dort vorkommt – dann konvergiert die Spannung.
Bei der Modellierung stellt sich immer die Frage, welchen Einfluss auf das Ergebnis hat ein Detail, wie Bohrung, Radius, Bearbeitung usw.
- Wie detailliert wurde die Geometrie abgebildet?
- Wurden Vereinfachungen vorgenommen und welche Auswirkungen haben diese?
- Könnten kleine geometrische Details das Ergebnis signifikant beeinflussen?
Zusammenfassung:
Die Qualität der Modellierung bildet das Fundament jeder FEM-Analyse. Indem Sie kritische Fragen zu Randbedingungen, Kontakten und geometrischen Details stellen, können Sie besser einschätzen, wie realitätsnah die Simulation ist und wo möglicherweise Schwachstellen liegen. Sind die für Sie relevanten Stellen ausreichend abgebildet?
Teil 4: Ergebnisse ganzheitlich bewerten
Jede Simulation hat ihre Grenzen. In diesem abschließenden Teil erhalten Sie Hinweise, wie Sie die Gültigkeitsbereiche des FEM-Modells hinterfragen und die Grenzen der Simulation erkennen können.
Über die Bilder hinausdenken
Wie wir in den bisherigen Teilen der Serie gesehen haben, können die schönen bunten Ergebnisbilder täuschen. Deshalb ist eine Voraussetzung für die Beurteilung, dass die grundlegenden physikalischen Effekte klar sind. Daraus ergibt sich eine Vorstellung, wie sich das Modell verhalten sollte. Stimmt das mit der Simulation überein ist das ein gutes Zeichen. Trotzdem sollte man kritisch bleiben.
Bei einfachen Problemen kann auch der Vergleich mit einer analytischen Handrechnung eine Absicherung bringen, beispielsweise ein Träger auf zwei Lagern:

Stimmen Vorstellung und Simulation nicht überein, muss der Fehler im Modell gesucht oder sein eigenes physikalisches Verständnis überprüft werden.
- Welche physikalischen Prinzipien liegen den Ergebnissen zugrunde?
- Stimmen die Ergebnisse mit Ihrer Intuition und Erfahrung überein?
- Welche Modellannahmen könnten die Ergebnisse beeinflusst haben?
Grenzen der Simulation
In der Regel ist ein Simulationsmodell nur innerhalb bestimmter Grenzen gültig. Es können nicht alle theoretisch auftretenden Fälle abgebildet werden. Aber es müssen die kritischen und lebensdauerbegrenzenden überprüft werden.
- Für welche Bedingungen ist das FEM-Modell gültig und wo liegen seine Grenzen?
- Welche Aspekte der Realität werden durch das Modell möglicherweise nicht erfasst?
- Sind die Einschränkungen des Modells allen Beteiligten klar?
Bewertung der Simulationsergebnisse
Die kritische Bewertung der Simulationsergebnisse ist entscheidend für die Zuverlässigkeit und Aussagekraft der FEM-Analyse.
- Überlegen Sie, nach welchen Methoden, Richtlinien oder Erfahrungen Sie bewerten wollen oder müssen. Die Simulationsergebnisse müssen dazu passend erstellt werden.
- Hinterfragen Sie kritisch auftretende Spannungsspitzen, insbesondere an geometrischen Singularitäten.
- Lassen Sie sich erklären, wie mit solchen Singularitäten umgegangen wird und welche Bewertungskriterien angewendet werden.
Eine gründliche Bewertung der Simulationsergebnisse ist unerlässlich, um fundierte Entscheidungen auf Basis der FEM-Analyse zu treffen. Durch kritisches Hinterfragen und den Vergleich mit realen Daten können Sie die Zuverlässigkeit der Ergebnisse besser einschätzen und potenzielle Schwachstellen im Modell oder in der Interpretation aufdecken.
Experimentelle Überprüfung
Wenn möglich sollte mit einem Versuch ein Abgleich zwischen Simulation und Realität gemacht werden.
- Ist es notwendig und möglich einen Versuch zur Überprüfung der Ergebnisse durchzuführen?
- Wurden die Ergebnisse durch Tests oder Messungen validiert?
- Wie gut stimmen Simulation und Realität überein?
- Diskutieren Sie mögliche Abweichungen und deren Ursachen.
Zusammenfassung
Das Verständnis für die Grenzen einer FEM-Analyse ist entscheidend für deren sinnvolle Anwendung. Durch kritisches Hinterfragen des Gültigkeitsbereichs und der Modellannahmen können Sie als Kunde die Ergebnisse in den richtigen Kontext setzen und fundierte Entscheidungen treffen.
Gesamtfazit der Serie
Diese Serie hat Ihnen als Kunde die Werkzeuge an die Hand gegeben, um FEM-Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. Durch das Verständnis von Ergebnisdarstellung, Vernetzung, Modellierung und den Grenzen der Simulation sind Sie nun in der Lage, tiefergehende und zielgerichtete Fragen zu stellen. Dies ermöglicht Ihnen, die Qualität und Zuverlässigkeit der FEM-Analysen besser einzuschätzen und somit fundierte technische Entscheidungen zu treffen.
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